Wer durch Schwaben[1] reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen. Die Leute hier unterscheiden sich von den andern Menschen. Sie sind größer als gewöhnliche Menschen. Sie sind breitschultrig, von starken Gliedern, und mutiger als gewöhnliche Bewohnern der Stromtäler und Ebenen. Und auch durch ihre Sitten und Trachten sondern sie sich von den Leuten, die außerhalb des Waldes wohnen, streng ab.
Die Bewohner des Schwarzwaldes kleiden sich am schönsten. Die Männer haben den Bart. Ihre schwarzen Wämser[2], ihre ungeheuren, enggefalteten Pluderhosen[3], ihre roten Strümpfe und die spitzen Hüte, von einer weiten Scheibe umgeben, verleihen ihnen etwas Ernstes, Ehrwürdiges.
Dort beschäftigen sich die Leute gewöhnlich mit Glasmachen; auch verfertigen sie Uhren.
Auf der andern Seite des Waldes wohnt ein Teil desselben Stammes. Aber sie handeln mit ihrem Wald. Sie fällen und behauen ihre Tannen. Sie flößen sie durch die Nagold in den Neckar[4] und von dem oberen Neckar den Rhein hinab[5], nach Holland. Ihre langen Flöße halten an jeder Stadt. Sie handeln ihre stärksten und längsten Balken und Bretter.
Diese Menschen nun sind an ein rauhes, wanderndes Leben gewöhnt. Und ihr Prachtanzug ist verschieden von dem der Glasmänner im andern Teil des Schwarzwaldes. Sie tragen Wämser von dunkler Leinwand, einen handbreiten grünen Hosenträger über die breite Brust, Beinkleider von schwarzem Leder[6]. Aus deren Tasche ein Zollstab von Messing hervorschaut. Ihr Stolz und ihre Freude aber sind ihre Stiefel. Sie können damit in drei Schuh tiefem Wasser umherwandeln, ohne sich die Füße naß zu machen.
Noch vor kurzer Zeit glaubten die Bewohner dieses Waldes an Waldgeister. Und auch die Waldgeister, die im Schwarzwalde hausen, in diese verschiedenen Trachten sich geteilt haben. Das Glasmännlein, ein gutes Geistchen von dreieinhalb Fuß Höhe, war in einem spitzen Hütlein mit großem Rand, mit Wams und Pluderhöschen und roten Strümpfchen. Der Holländer-Michel[7] aber, der auf der anderen Seite des Waldes umgeht, war ein riesengroßer, breitschultriger Kerl in der Kleidung der Flözer. Seine Stiefel waren so groß, dass ein gewöhnlicher Mann bis an den Hals hineinstehen könnte.
Mit diesen Waldgeistern hatte ein junger Schwarzwälder eine sonderbare Geschichte, die ich erzählen will. Es lebte nämlich im Schwarzwald eine Witwe, Frau Barbara Munk. Ihr Gatte war Kohlenbrenner. Nach seinem Tode hielt sie ihren sechzehnjährigen Knaben nach und nach zu demselben Geschäft an.
Der junge Peter Munk, ein schlanker Bursche, saß die ganze Woche über am rauchenden Meiler, schwarz und berußt. Dann fuhr er in die Städte und verkaufte seine Kohlen. Aber ein Köhler hat viel Zeit zum Denken. Wenn Peter Munk an seinem Meiler saß, stimmten die dunklen Bäume umher und die tiefe Waldesstille sein Herz zu Tränen und unbewusster Sehnsucht.
Es betrübte ihn etwas, es ärgerte ihn etwas, er wusste nicht recht was. Endlich merkte er sich ab, was ihn ärgerte. Das war sein Stand.
«Ein schwarzer, einsamer Kohlenbrenner!» sagte er sich. «Es ist ein elend Leben. Wie angesehen sind die Glasmänner, die Uhrmacher, selbst die Musikanten am Sonntag abends! Abe ich!.. Ach, ich bin nur der Kohlenmunk-Peter![8]»
Auch die Flözer auf der andern Seite waren ein Gegenstand seines Neides. Wenn diese Waldriesen herüberkamen, mit stattlichen Kleidern, und an Knöpfen, Schnallen und Ketten einen halben Zentner Silber auf dem Leib trugen, wenn sie holländisch sprachen, da stellte er sich als das vollendetste Bild eines glücklichen Menschen solch einen Flözer vor. Und wenn diese Glücklichen dann erst in die Taschen fuhren, ganze Hände voll großer Taler herauslangten und würfelten[9] (fünf Gulden hin, zehn her[10]), so wollten ihm die Sinne vergehen[11]. Dann schlich er trübselig nach seiner Hütte. An manchem Feiertagabend hatte er einen oder den andern dieser Holzherren mehr verspielen sehen, als der arme Vater Munk in einem Jahr verdiente.
Es waren drei Männer, von welchen er am meisten bewunderte. Der eine war ein dicker, großer Mann mit rotem Gesicht. Er war de reichste Mann in der Runde. Sein Name war Ezechiel[12]. Er reiste alle Jahre zweimal mit Bauholz nach Amsterdam und war sehr reich.
Der andere war der längste und magerste Mensch im ganzen Wald. Sein Name war Schlurker, und diesen beneidete Munk. Schlurker widersprach den angesehensten Leuten; er hatte unmenschlich viel Geld.
Der dritte war ein schöner junger Mann, der am besten tanzte und daher den Namen Tanzbodenkönig hatte. Er war ein armer Mensch gewesen und hatte bei einem Holzherrn als Knecht gedient. Da wurde er auf einmal steinreich. Die einen sagten, er hat unter einer alten Tanne einen Topf voll Geld gefunden. Die andern behaupteten, er hat im Rhein mit der Stechstange, womit die Flözer zuweilen nach den Fischen stechen, einen Pack mit Goldstücken heraufgefischt.
An diese drei Männer dachte Kohlenmunk-Peter oft, wenn er einsam im Tannenwald saß. Aber hatten alle drei einen Hauptfehler, der sie bei den Leuten verhaßt machte. Es war dies ihr unmenschlicher Geiz, ihre Gefühllosigkeit gegen Schuldner und Arme.