Mephisto / Мефистофель. Книга для чтения на немецком языке

Mephisto / Мефистофель. Книга для чтения на немецком языке
О книге

Клаус Манн (1906-1949) – немецкий писатель и журналист, сын Томаса Манна.

В романе «Мефистофель» (1936) сатирически трактуется тема «соучастия» людей, не противостоявших фашизму внутри Германии.

Оригинальный текст снабжен постраничными комментариями и словарем.

Книга издана в 2007 году.

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Подготовка текста, комментарии, словарь И. О. Ситниковой

© КАРО, 2007

Vorspiel

1936

„In einem der westdeutschen Industriezentren sollen neulich über achthundert Arbeiter verurteilt worden sein, alle zu hohen Zuchthausstrafen, und das im Laufe eines einzigen Prozesses.“

„Nach meinen Informationen sind es nur fünfhundert gewesen; über hundert andere hat man erst gar nicht abgeurteilt, sondern heimlich umbringen lassen, ihrer Gesinnung wegen.“

„Sind die Löhne wirklich so entsetzlich schlecht?“

„Miserabel. Dabei fallen sie noch – und die Preise steigen.“

„Die Dekorierung des Opernhauses für heute abend soll sechzigtausend Mark gekostet haben. Dazu kommen mindestens noch vierzigtausend Mark andere Spesen – nicht mitgerechnet die Unkosten, die es der öffentlichen Kasse gemacht hat, das Opernhaus, wegen der Vorbereitungen für den Ball, fünf Tage lang geschlossen zu halten.“

„Eine nette kleine Geburtstagsfeier.“

„Ekelhaft, dass man den Rummel mitmachen muss.“

Die beiden jungen ausländischen Diplomaten verneigten sich, auf den Gesichtern das liebenswürdigste Lächeln, vor einem Offizier in großer Uniform, der hinter seinem Monokel einen misstrauischen Blick auf sie geworfen hatte.

„Die ganze hohe Generalität ist da.“ Sie sprachen erst wieder, als sie die große Uniform außer Hörweite wussten.

„Aber sie sind alle für den Frieden begeistert“, fügte der andere boshaft hinzu.

„Wie lange noch?“ fragte fröhlich lächelnd der erste, wobei er eine kleine Dame von der japanischen Botschaft begrüßte, die am Arm eines hünenhaften Marineoffiziers klein und zierlich einherschritt.

„Wir müssen auf alles gefasst sein.“

Ein Herr vom Auswärtigen Amt gesellte sich zu den beiden jungen Botschaftsattaches, die sofort dazu übergingen, Pracht und Schönheit der Saaldekoration zu preisen. „Ja, der Herr Ministerpräsident hat Freude an diesen Dingen“, sagte, etwas verlegen, der Herr vom Auswärtigen Amt. – „Aber es ist alles geschmackvoll“, versicherten die beiden jungen Diplomaten, beinah im gleichen Atem. – „Gewiss“, sprach gequält der Herr aus der Wilhelmstraße[1]. – „Eine so prachtvolle Veranstaltung kann man heute nirgends als in Berlin finden“, sagte einer der beiden Ausländer noch. Der Herr vom Außenministerium zögerte eine Sekunde lang, ehe er sich zu einem, höflichen Lächeln entschloss.

Es entstand eine Gesprächspause. Die drei Herren blickten um sich und lauschten dem festlichen Lärm. „Kolossal“, sagte schließlich einer von den beiden jungen Leuten leise – diesmal ohne jeden Sarkasmus, sondern wirklich beeindruckt, beinah verängstigt von dem riesenhaften Aufwand, der ihn umgab. Das Flimmern der von Lichtern und Wohlgerüchen gesättigten Luft war so stark, dass es ihm die Augen blendete. Ehrfurchtsvoll, aber misstrauisch blinzelte er in den bewegten Glanz. ,Wo bin ich nur?’ dachte der junge Herr – er kam aus einem der skandinavischen Länder —. ,Der Ort, an dem ich mich befinde, ist ohne Frage sehr lieblich und verschwenderisch ausgestattet; dabei aber auch etwas grauenhaft. Diese schön geputzten Menschen sind von einer Munterkeit, die nicht gerade vertrauenerweckend wirkt. Sie bewegen sich wie die Marionetten – sonderbar zuckend und eckig. In ihren Augen lauert etwas, ihre Augen haben keinen guten Blick, es gibt in ihnen soviel Angst und soviel Grausamkeit. Bei mir zu Hause schauen die Leute auf eine andere Art – sie schauen freundlicher und freier bei mir zu Hause. Man lacht auch anders bei uns droben im Norden. Hier haben die Gelächter etwas Höhnisches und etwas Verzweifeltes; etwas Freches, Provokantes, und dabei etwas Hoffnungsloses, schauerlich Trauriges. So lacht doch niemand, der sich wohl fühlt in seiner Haut. So lachen doch Männer und Frauen nicht, die ein anständiges, vernünftiges Leben führen…’

Der große Ball zum dreiundvierzigsten Geburtstag des Ministerpräsidenten fand in allen Räumen des Opernhauses statt. In den ausgedehnten Foyers, in den Couloirs und Vestibülen bewegte sich die geputzte Menge. Sie ließ Sektpfropfen knallen in den Logen, deren Brüstungen mit kostbaren Draperien behängt waren; sie tanzte im Parkett, aus dem man die Stuhlreihen entfernt hatte. Das Orchester, das auf der leergeräumten Bühne seinen Platz hatte, war umfangreich, als sollte es eine Symphonie aufführen, mindestens von Richard Strauss. Es spielte aber nur, in keckem Durcheinander, Militärmärsche und jene Jazzmusik, die zwar wegen niggerhafter Unsittlichkeit verpönt war im Reiche, die aber der hohe Würdenträger auf seinem Jubelfeste nicht entbehren wollte.

Hier hatte alles sich eingefunden, was in diesem Lande etwas gelten wollte, niemand fehlte – außer dem Diktator selbst, der sich wegen Halsschmerzen und angegriffener Nerven hatte entschuldigen lassen, und außer einigen etwas plebejischen Parteiprominenten, die nicht eingeladen worden waren. Hingegen bemerkte man mehrere kaiserliche und königliche Prinzen, viele Fürstlichkeiten und fast den ganzen Hochadel; die gesamte Generalität der Wehrmacht, sehr viel einflussreiche Finanziers und Schwerindustrielle; verschiedene Mitglieder des diplomatischen Korps – meistens von den Vertretungen kleinerer oder weit entfernter Länder —; einige Minister, einige berühmte Schauspieler – die huldvolle Schwäche des Jubilars für das Theater war bekannt – und sogar einen Dichter, der sehr dekorativ aussah und übrigens die persönliche Freundschaft des Diktators genoss. Über zweitausend Einladungen waren verschickt worden; von diesen waren etwa tausend Ehrenkarten, die zum unentgeltlichen Genuss des Festes berechtigten; von den Empfängern der übrigen tausend hatte jeder fünfzig Mark Eintritt zahlen müssen: So kam ein Teil der ungeheuerm Spesen wieder herein – der Rest blieb zu Lasten jener Steuerzahler, die nicht zum nähereil Umgang des Ministerpräsidenten und also keineswegs zur Elite der neuen deutschen Gesellschaft gehörten.



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