Ungeduld des Herzens / Нетерпение сердца

Ungeduld des Herzens / Нетерпение сердца
О книге

Психологический роман австрийского писателя Стефана Цвейга «Нетерпение сердца» – это трагическая история о неразделенной любви между 17-летней дочерью богатого венгерского землевладельца Эдит фон Кекешфальвой, прикованной к инвалидной коляске, и молодым австрийским лейтенантом Антоном Гофмиллером. Может ли сострадание, малодушное и сентиментальное, спасти близкого человека, или же «благими намерениями вымощена дорога в ад»? Почему сердце, так страстно и искренне полюбившее, не дождалось своей счастливой судьбы? К каким серьезным последствиям приведут трусость и предательство, и сможет ли совесть все забыть и предать забвению?

Как и в лучших новеллах автора, в романе мастерски описываются психологические тонкости, благодаря которым раскрываются чувства и поступки главных героев.

Книга издана в неадаптированной версии. Наслаждайтесь единственным завершенным романом Стефана Цвейга в оригинале!

В формате PDF A4 сохранён издательский дизайн.

Книга издана в 2023 году.

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© ООО «Издательство АСТ», 2023

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»Wer da hat, dem wird gegeben«, dieses Wort aus dem Buche der Weisheit darf jeder Schriftsteller getrost in dem Sinne bekräftigen: »Wer viel erzählt hat, dem wird erzählt.« Nichts Irrtümlicheres als die allzu umgängliche Vorstellung, in dem Dichter arbeite ununterbrochen die Phantasie, er erfinde aus einem unerschöpflichen Vorrat pausenlos Begebnisse und Geschichten. In Wahrheit braucht er nur, statt zu erfinden, sich von Gestalten und Geschehnissen finden zu lassen, die ihn, sofern er sich die gesteigerte Fähigkeit des Schauens und Lauschens bewahrt hat, unausgesetzt als ihren Wiedererzähler suchen; wer oftmals Schicksale zu deuten versuchte, dem berichten viele ihr Schicksal.

Auch dieses Begebnis ist mir beinahe zur Gänze in der hier wiedergegebenen Form anvertraut worden und zwar auf völlig unvermutete Art. Das letzte Mal in Wien suchte ich abends, von allerhand Besorgungen abgemüdet, ein vorstädtisches Restaurant auf, von dem ich vermutete, es sei längst aus der Mode geraten und wenig frequentiert. Doch kaum eingetreten, wurde ich meines Irrtums ärgerlich gewahr. Gleich von dem ersten Tisch stand mit allen Zeichen ehrlicher, von mir freilich nicht ebenso stürmisch erwiderter Freude ein Bekannter auf und lud mich ein, bei ihm Platz zu nehmen. Es wäre unwahrhaftig, zu behaupten, daß jener beflissene Herr an sich ein unebener oder unangenehmer Mensch gewesen wäre; er gehörte nur zu jener Sorte zwanghaft geselliger Naturen, die in ebenso emsiger Weise, wie Kinder Briefmarken, Bekanntschaften sammeln und deshalb auf jedes Exemplar ihrer Kollektion in besonderer Weise stolz sind. Für diesen gutmütigen Sonderling – im Nebenberuf ein vielwissender und tüchtiger Archivar – beschränkte sich der ganze Lebenssinn auf die bescheidene Genugtuung, bei jedem Namen, der ab und zu in einer Zeitung zu lesen war, mit eitler Selbstverständlichkeit hinzufügen zu können: »Ein guter Freund von mir« oder »Ach, den habe ich erst gestern getroffen« oder »Mein Freund A hat mir gesagt und mein Freund B hat gemeint«, und so unentwegt das ganze Alphabet entlang. Verläßlich klatschte er bei den Premieren seiner Freunde, telephonierte jede Schauspielerin am nächsten Morgen glückwünschend an, er vergaß keinen Geburtstag, verschwieg unerfreuliche Zeitungsnotizen und schickte einem die lobenden aus herzlicher Anteilnahme zu. Kein unebener Mensch also, weil ehrlich beflissen und schon beglückt, wenn man ihn einmal um eine kleine Gefälligkeit ersuchte oder gar das Raritätenkabinett seiner Bekanntschaften um ein neues Objekt vermehrte.

Aber es tut nicht not, Freund »Adabei« – unter diesem heiteren Spottwort faßt man in Wien jene Spielart gutmütiger Parasiten innerhalb der buntscheckigen Gruppe der Snobs für gewöhnlich zusammen – näher zu beschreiben, denn jeder kennt sie und weiß, daß man sich ihrer rührenden Unschädlichkeit ohne Roheit nicht erwehren kann. So setzte ich mich resigniert zu ihm, und eine Viertelstunde lief schwatzhaft dahin, als ein Herr in das Lokal eintrat, hochgewachsen und auffällig durch sein frischfarbiges, jugendliches Gesicht mit einem pikanten Grau an den Schläfen; eine gewisse Aufrechtheit im Gang verriet ihn sofort als ehemaligen Militär. Eifrig zuckte mein Nachbar mit der für ihn typischen Beflissenheit grüßend auf, welchen Impetus jedoch jener Herr eher gleichgültig als höflich erwiderte, und noch hatte der neue Gast nicht recht bei dem eilig zudrängenden Kellner bestellt, als mein Freund Adabei bereits an mich heranrückte und mir leise zuflüsterte: »Wissen Sie, wer das ist?« Da ich seinen Sammelstolz, jedes halbwegs interessante Exemplar seiner Kollektion rühmend zur Schau zu stellen, längst kannte und überlange Explikationen fürchtete, äußerte ich bloß ein recht uninteressiertes »Nein« und zerlegte weiter meine Sachertorte. Diese meine Indolenz aber machte den Namenskuppler nur noch aufgeregter, und die Hand vorsichtig vorhaltend, hauchte er mir leise zu: »Das ist doch der Hofmiller von der Generalintendanz – Sie wissen doch – der im Krieg den Maria Theresienorden bekommen hat.« Weil nun dieses Faktum mich nicht in der erhofften Weise zu erschüttern schien, begann er mit der Begeisterung eines patriotischen Lesebuchs auszupacken, was dieser Rittmeister Hofmiller im Krieg Großartiges geleistet hätte, zuerst bei der Kavallerie, dann bei jenem Erkundungsflug über die Piave, wo er allein drei Flugzeuge abgeschossen hätte, schließlich bei der Maschinengewehrkompagnie, wo er drei Tage einen Frontabschnitt besetzt und gehalten hätte – all das mit vielen Einzelheiten (die ich hier überschlage) und immer dazwischen sein maßloses Erstaunen bekundend, daß ich von diesem Prachtmenschen nie gehört hatte, den doch Kaiser Karl in Person mit der seltensten Dekoration der österreichischen Armee ausgezeichnet habe.

Unwillkürlich ließ ich mich verleiten, zum andern Tisch hinüberzuschauen, um einmal einen historisch abgestempelten Helden aus Zweimeterdistanz zu sehen. Aber da stieß ich auf einen harten, verärgerten Blick, der etwa sagen wollte: Hat der Kerl dir etwas von mir vorgeflunkert? An mir gibt’s nichts anzugaffen! Gleichzeitig rückte jener Herr mit einer unverkennbar unfreundlichen Bewegung den Sessel zur Seite und schob uns energisch den Rücken zu. Etwas beschämt nahm ich meinen Blick zurück und vermied von nun an, auch nur die Decke jenes Tischs neugierig anzustreifen. Bald darauf verabschiedete ich mich von meinem braven Schwätzer, beim Hinausgehen jedoch schon bemerkend, daß er sich sofort zu seinem Helden hinübertransferierte, wahrscheinlich um einen ebenso eifrigen Bericht über mich zu erstatten wie zu mir über jenen.



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